KlarinettenKunst

Innovationen

1. Grundlegende Fragen zum Bau von Klarinetten

Müssen Klarinetten hölzern sein, um schön zu klingen?

Das Grenadillholz, das für Klarinetten gewöhnlich verwendet wird, zählt zu den sogenannten Eisenhölzern. Sie sind schwerer als Wasser, und sie können nur mit Werkzeugen bearbeitet werden, wie sie für die Metallbearbeitung vorgesehen sind. Dann aber stellt sich die Frage: Warum nicht gleich aus Metall?

Da Blasinstrumente, anders als z.B. Xylophone, keine Selbstklinger (Idiophone) sind, dürfen wir annehmen, daß sich das Material des Korpus nicht allzu deutlich auf die Klangeigenschaften auswirken wird; bei einem langrohrigen Blasinstrument wie einer Posaune vermutlich etwas mehr als bei einem kurzrohrigen wie einer Klarinette. Dann aber ist nicht von Vornherein entschieden, daß der Unterschied sich zum Nachteil des metallischen Korpus auswirkt. Im Gegenteil, eine metallische Posaune klingt deutlich lauter, konturierter und "edler" als eine aus Kunststoff. Es scheint also, daß ein weiches Material zumal die höheren Teiltöne stärker absorbiert.

Zu Versuchszwecken habe ich eine weit mensurierte, d.h. relativ kurzrohrige Klarinette einmal aus Holz gebaut, und einmal aus Aluminium gleicher Wandstärke. Zu meiner Verwunderung, ja fast zu meiner Enttäuschung klingt nun gerade die metallische Ausführung vergleichsweise stark und sonor. (Ich spreche von Enttäuschung, weil Aluminium zu den eher unedlen Metallen zählt.)

Zum klanglichen Vorteil kommt hinzu, daß Metallrohre, anders als Holzrohre, in verschiedenster Größe überall erhältlich und obendrein billig, umweltschonend und leicht zu verarbeiten sind. Das hat mich bewogen, meine Instrumente nur noch aus Metall zu bauen.

Müssen Klarinetten rundrohrig sein?

Wer einmal in ein Klarinetten-Mundstück hineingeschaut hat, wird bemerkt haben, daß der Innenraum keineswegs rund ist, vielmehr kantig und parallelwandig. Auch das aufliegende Blatt schwingt, anders als das Doppelrohrblatt der Fagotte und Oboen, genau geradlinig. Erst im weiteren Verlauf nimmt das Rohr die innere Rundung an. Aber muß das sein, diese Überführung eines Kantigen in das Runde?

Läßt man sich nicht nur von Gewohnheiten leiten, so kann man auf den Gedanken kommen, daß innere Kantigkeit dem Wesen der Klarinette möglicherweise besser entspricht; anders gesagt, daß die nicht zylindrische, sondern prismatische Luftsäule der Idealform einer Klarinette im akustischen Sinne am nächsten kommt. Insofern war es eine spannende Frage für mich, ob Kantrohrklarinetten anders, womöglich schöner klingen, und ob vielleicht die Töne besser ansprechen. Inzwischen bin ich mir nicht mehr sicher, ob die Bauform diesbezüglich überhaupt irgendwelche Auswirkungen hat. Das hätten objektive Hörer zu entscheiden, zu denen ich mich aus naheliegenden Gründen nicht rechnen darf.

Einen konstruktiven Vorteil haben Kantrohrklarinetten auf jeden Fall: Deren Tonlöcher bedürfen keiner Kamine oder Zwirle, da sie ohnehin plan abschließen. Wenn man die Tonlöcher dann auch noch als rechteckige Fenster ausgestaltet, so erreicht man damit die größte mögliche Öffnungsweite. Darüber hinaus ist eine präzise Konstruktion der Schließmechanismen bei Kantrohren einfacher zu bewerkstellen, weil die Notwendigkeit von Drehwinkelmessungen entfällt. Insgesamt sehe ich nur Vorteile, sodaß ich mich auf die Entwicklung derartiger Instrumente spezialisiert habe. Das Ergebnis ist der (vorläufig von mir so benannte) Kantrix. Abbildungen finden Sie nebenstehend zum Text. Dazu will ich mich in einem eigenen Kapitel ausführlicher äußern.

Ein Bedenken freilich, das mir selbst schon bald nach der ersten Begeisterung gekommen ist, bezieht sich auf das maschinenhafte Aussehen dieser Instrumente. Ist Rundheit nicht viel natürlicher, organischer, haptisch angenehmer? Baumstämme sind immer rund. Aber irgendwann kam ich darauf, daß ausgerechnet die meisten unserer heilkräftigen Gewürzpflanzen (in der Regel Lippenblütler, Labiaten) vierkantige Stengel haben! Es wurde behauptet, daß diese Heilkraft in Verbindung stehe mit der Heilkraft, die auch dem Kreuz als dem Symbol der Auferstehung zukomme. Rechtwinkligkeit kann einerseits also Unlebendigkeit und Erstarrung bedeuten, anderseits aber auch deren Überwindung.

Müssen Klarinetten mit Klappen versehen sein?

Eines ist klar: Nicht alle Tonlöcher können mit den Fingerkuppen geschlossen werden. Schließmechanismen sind also notwendig.

Nur - es müssen nicht unbedingt Klappen sein. Diese beruhen auf dem Prinzip der Rotation. Schließmechanismen können aber auch mit Translation - anders gesagt, mit geradlinigem Vorschub - arbeiten; die Verwirklichung besteht in Ventildeckeln, welche zur Luftsäule parallelgeführt werden (siehe nebenstehende zwei Kantrohrklarinetten, "Kantrixe"). Und drittens kann auch das Prinzip der Scherung zum Einsatz kommen: darauf beruhen die Schieber. Ich stelle es schematisch dar:

RotationKlappen
TranslationVentile
ScherungSchieber

Für jedes dieser Prinzipien gibt es aber noch Unterarten. So können Klappen ihre Rotationsachsen innerhalb, am Rande oder außerhalb des Tonlochs haben. Ventildeckel können achsial oder, wie beim Kantrix, seitlich über Koppelgetriebe geführt werden. Schieber können auch als Drehschieber funktionieren, so wie nachfolgend gezeigt. Diese Bauweise hatte für mich aber nur experimentellen Wert, denn ungekapselte Schieber sind gegen Luft nur sehr schwer abzudichten.

Übrigens: Bei den sogenannten Ventilen an Trompeten handelt es sich um (Umlenk-)Schieber. Diese funktionieren dort nur aufgrund ihrer geschlossenen Bauweise, welche für Klarinetten allerdings nicht infrage kommt.

Ferner sind - an jeweils zwei genau gegenüberliegenden Tonlöchern - Doppelschlüsse möglich.

Darüber hinaus kann auch die Deckelung als solche in mindestens drei Arten ausgeführt werden: nicht nur, wie bis heute durchgehend üblich, als Plandeckel (mit eingeklebtem Polster), sondern auch als Muldendeckel und Manteldeckel. Dies sei wiederum schematisch dargestellt:

Rohrsegment mit Oben-Unten-Ausrichtung → Plandeckel
Rohrsegment mit Links-Rechts-Ausrichtung → Muldendeckel
Rohrsegment mit Vorne-Hinten-Ausrichtung → Manteldeckel

Insgesamt ergeben sich also mindestens 9 verschiedene Grundformen, von denen bisher nur eine einzige zur Anwendung gekommen ist, nämlich die Löffelklappe nach Iwan Müller. Im Prinzip handelt es sich um einen polstergefüllten Plandeckel, der durch Rotation betätigt wird und wenn nicht auf einem Zwirl, dann auf einem Kamin abschließt, der seinerseits als Segment eines Rohrsegments in Oben-Unten-Richtung verstanden werden kann.

Meiner Meinung nach ist die Löffelklappe nicht der Weisheit letzter Schluß. Eine viel bessere Lösung zur Verwendung gerade an Rundrohrklarinetten scheint mir, wenn schon Klappe, dann die Muldenklappe zu sein, deren Ableitung und Verwirklichung aus folgenden Bildern ersichtlich wird. Der Muldendeckel ist demnach das Segment - der Ausschnitt - eines quer zum Korpus aufliegenden Rohres, und von gleichem Durchmesser wie der Korpus.

Es ist klar zu erkennen, daß Zwirle oder Kamine hier nicht zur Anwendung kommen, und daß die Luftsäule somit kaum verwirbelt wird. Wie ich aber obenstehend zu erklären versucht habe, muß der Muldendeckel nicht zwingend als Klappe betätigt werden; die Betätigung ist auch möglich als Schieber oder als Ventil, d.h. parallelgeführt.

Ästhetisch besonders ansprechend sind Manteldeckel. Sie bestehen aus Segmenten eines nicht quer, sondern längs liegenden Rohres von etwas größerem Durchmesser als das Korpusrohr. Sie "tangieren" dieses also nicht, sondern sie "ummanteln" es, um das Tonloch abzudecken.

Leider dichten sie nur bei sehr sorgfältiger Bemessung ab, so jedenfalls meine Erfahrung. Je größer die Tonlöcher im Verhältnis zum Rohrdurchmesser, desto schwieriger wird es. Muldendeckel sind insofern viel angenehmer.

Mein Favorit jedoch ist der durch Koppelgetriebe parallelgeführte Ventildeckel, welcher sich gerade für Kantrohre bestens eignet. Wie der Mulden- und der Manteldeckel auf Rundrohren, so kommt der Ventildeckel auf Kantrohren ohne Kamine aus.

Wie obenstehendes Modell erkennen läßt, wird der Deckel nicht gekippt, sondern abgesenkt, wobei er seine Position parallel zum Korpus oder Luftstrom immer beibehält. Er muß also nicht justiert werden, anders gesagt, er benötigt kein einzupassendes Polster. Dadurch sind auch rechteckige Fenster im Korpus möglich, welche eine im Vergleich zu runden Tonlöchern größere Öffnungsweite erlauben.

Ende des Abschnitts "Grundlegende Fragen zum Bau von Klarinetten".


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